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Michael Moritz im Interview: “Viel über die eigene Brand nachdenken”

14 Nov 2023

Unser CEO Michael Moritz über die aktuellen Herausforderungen im D2C-Markt, Potenziale für die Zukunft und den richtigen Zeitpunkt für den Firmenverkauf.

Was ist gerade die große Herausforderung im D2C-Bereich?
Zurzeit kämpfen viele Unternehmen immer noch mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie, dem Ukraine-Krieg und einem allgemein schwierigen wirtschaftlichen Umfeld. Wichtig ist jedoch zu verstehen, dass die spezifischen Herausforderungen stark branchenabhängig sind und stark variieren.

Welche Branchen performen denn gut und welche tun sich schwer?
Ein größeres Problem stellt der MarginSqueeze in der Rohmarge dar. Insbesondere in der Modebranche ist die Conversion gesunken und die Produkte waren im Mix nicht mehr so erfolgreich. Viele Unternehmen mussten sich neu sortieren. Die Verfügbarkeit von Rohstoffen, zum Beispiel im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel, hat einige Unternehmen beeinträchtigt. Hersteller von Möbeln und Fahrrädern, die in China einkaufen, haben alle unter den hohen Containerpreisen gelitten. Einige haben auch zu viel Ware bestellt, was angesichts des aktuellen Konsumverhaltens problematisch ist. Jetzt sind die Läger voll bei den Möbelherstellern, die nur über Rabattschlachten geleert werden können. Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Zinssätze derzeit hoch sind und Banken bei der Kreditvergabe für Konsumgüter, insbesondere bei hohen Lagerbeständen, vorsichtiger sind. Das Bild ist also recht differenziert. Viele von ihnen sind Challenger-Brands, die durch wettbewerbsfähige Preise und einen interessanten Marketing-Mix neue Märkte erschließen, wie zum Beispiel Snocks, The Quality Group, KoRo oder Purelei.

Welche Potenziale sehen Sie für den Bereich D2C im kommenden Jahr?
Es wird ein Jahr, in dem sich die Spreu vom Weizen trennt. Der D2C-Bereich ist sehr lange mit gutem Rückenwind gesegelt, aber nun ist es an der Zeit, die Online-Marketing-Strategien neu auszurichten. Auch das Thema Live-Shopping wird von einigen Anbietern noch stärker in Besitz genommen werden. Reine Online- und D2C-Marken expandieren zunehmend in den stationären Einzelhandel, da sie bei ihrer Zielgruppe eine starke Markenpräsenz aufgebaut haben. Dies hat bereits zu interessanten Umsätzen bei den ersten Unternehmen geführt. Darüber hinaus sehen wir, dass eigene Shop erfolgreich sein können. Zum Beispiel hat die Kosmetikmarke Junglück kürzlich einen ersten Flagship-Store in München eröffnet, der sowohl als Markenverstärker als auch als profitabler Verkaufskanal dient. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen, auch weil die Einkaufsgeschäfte nicht mehr so gut vermietet sind.

Wie sollten sich die Unternehmen aufstellen, um mögliche Potenziale zu heben?
Die Herausforderung des Fulfillments ist überall präsent und wird umso größer, je schneller Unternehmen wachsen. Oftmals ist dies nicht ihre Kernkompetenz und wird daher häufig ausgelagert. Leider verläuft diese Auslagerung nicht immer reibungslos und kann zu Problemen führen. Auch bei der Conversion-Rate im Checkout gibt es noch Raum zur Verbesserung. Es gibt also noch Aufgaben und Hürden, die bewältigt werden müssen, um das Wachstumspotenzial zu maximieren. Es ist wichtig, eine starke Gemeinschaftsbindung aufzubauen und das Produktangebot entsprechend auszurichten. Der Erfolg sollte systematisiert werden und die Marketing-KPIs müssen genau überwacht werden. Unternehmen, die stärker wachsen möchten, sollten ihre Strukturen erweitern, indem sie das Managementteam ausbauen, Investoren einbeziehen und externe Expertise nutzen.

Gibt es eine Erfolgsformel für D2C-Unternehmen?
Eine klare Ausrichtung auf effektive Marketingkanäle und Produktgruppen ist entscheidend, also: „Nicht verzetteln“, lautet die Devise. Man sollte sich geografisch zunächst auf den DACH-Raum beschränken und dann schrittweise in weitere Länder expandieren. Unternehmen sollten außerdem intensiv über die eigene Brand nachdenken und eine differenzierte und einzigartige Marke aufbauen. Dies geht über das Marketing hinaus und erstreckt sich auf die gesamte Unternehmensstrategie.

Ab wann sollte man mit einer M&A-Bertung sprechen?
Ab 20 bis 50 Millionen Umsatz fängt es an Sinn zu machen. Allerdings muss die Firma profitabel sein, also eine Größenordnung von mindestens zwei Millionen Euro EBITDA erwirtschaften. Wie im M&A Geschäft heißt es auch hier: „The bigger, the better“. Denn internationale Finanzinvestoren schauen eher auf Unternehmen, die sich Richtung 100 Millionen Umsatz entwickeln. Allerdings macht es Sinn, auch schon früher in den Radar von Investoren zu kommen und den Dialog früher zu beginnen, zum Beispiel durch Teilnahme an einer unserer Investoren-Veranstaltungen.

Das Interview führte Heiner Sieger und erschien im e-commerce magazin 5/2023.

Michael Moritz im Interview: “Viel über die eigene Brand nachdenken”